Über den Umgang und die Selbstbehandlung mit Heilpflanzen
Kurzer Abriss der Heilpflanzenkunde (Phytotherapie)
Seit Jahrtausenden wenden Menschen Pflanzen zur Heilung und Linderung von Beschwerden und Krankheiten an. Man geht davon aus, dass Menschen bereits in der schriftlosen Steinzeit über großes Wissen über die Wirkungen und Anwendungen von Heilpflanzen Bescheid wussten. Sie lernten durch Erfahrungen und Beobachtung der Tiere.
Mittelalter
Im Mittelalter begann die Verschriftlichung des bisher mündlich weitergegebenen Heilpflanzenwissens: die Mönche sammelten das Volkswissen und schrieben es nieder. Theophrastus Bombast von Hohenheim (1493 – 1541), genannt Paracelsus, schrieb die Signaturenlehre nieder, nach welcher jede Pflanze ihre Heilwirkung in Farbe und Aussehen zeigt.
Mit der Entwicklung des modernen Buchdrucks in Europa im 15. Jahrhundert, nahm auch die Verbreitung von Kräuterwissen in Form von Büchern rasant an Fahrt auf. Plötzlich war es möglich, Wissen zu verschriftlichen und zu vervielfältigen und einer größeren Masse des Volkes zugänglich zu machen.
16. und 17. Jahrhundert
Im 16. und 17. Jahrhundert bereicherten Autoren wie Leonhard Fuchs, Hieronymus Bock, Petrus Andreas Matthiolus die Heilpflanzenkunde mit ihren Werken. Namen, die Kräuterkundigen auch heute noch ein Begriff sind.
19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert prägten vor allem der „Wasserpfarrer“ Sebastian Kneipp und der „Kräuterpfarrer“ Johann Künzle das Geschehen in der Heilkräuterkunde.
Gegenwart
Heute ist die Heilpflanzenkunde zur Wissenschaft geworden: die Phytotherapie erforscht wissenschaftlich, was bisher größtenteils durch Erfahrungen belegt war. Inhaltsstoffe, Wirkweisen und Einsatzgebiete von Heilpflanzen werden untersucht, strukturiert, dokumentiert. Und im Großteil der Fälle bestätigt die Phytotherapie das, was seit jahrtausenden mündlich weitergegeben wurde.
Heilpflanzen sind heute aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. In nahezu jedem Medikament finden sich Stoffe, die ihren Ursprung in der Pflanzenwelt haben. Gerade die bekanntesten Präparate basieren oft auf Heilpflanzenwirkstoffen.
Beschwerden richtig einschätzen
Pflanzen sind Vielstoffgewächse. Das heißt, sie enthalten verschiedene Inhaltsstoffe in verschiedenen Konzentrationen. Heilpflanzen wirken deshalb an vielen Stellen gleichzeitig. Sie erreichen ihre typischen Wirkungen durch die Kombination ihrer Inhaltsstoffe und durch ihr ureigenes Wesen.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass du in der Selbstbehandlung mit Heilpflanzen nur die Pflanzen auswählst, die du sicher kennst und deren Wirkung du einwandfrei bestimmen kannst.
Dafür musst du aber auch deine Beschwerde richtig einschätzen können. Denn nur, wenn du weißt, was genau du behandeln willst, kannst du dafür die passende Heilpflanze finden.
Denn eine Heilpflanzenbehandlung kann nur erfolgreich sein, wenn zur Beschwerde die passende Heilpflanze gewählt und korrekt angewandt wurde. Übrigens, dazu gehört auch, die Grenzen der Heilpflanzenkunde zu akzeptieren. Heilpflanzen können viel, doch Wundermittel sind sie nicht.
Die richtige Heilpflanzenanwendung finden
Wenn du deine Beschwerde klar umrissen hast, kannst du dafür die passende Heilpflanzen-Anwendung finden. Weil Heilpflanzen Vielstoffgewächse sind, können wir eine Heilpflanze oft für verschiedene Beschwerden einsetzen.
Es gibt aber auch Heilpflanzen, die eine erhöhte Konzentration bestimmter Wirkstoffe enthalten, zum Beispiel von:
- Gerbstoffen (Blutwurz, Salbei, Heidelbeere, Johanniskraut),
- Schleimstoffen (Spitzwegerich, Königskerze, Huflattich),
- Flavonoiden (Holunder, Ringelblume, Weißdorn) und anderen.
Man nennt diese Heilpflanzen dann auch „Gerbstoff-Pflanze“ oder „Schleimstoff-Pflanze“.
Für jede Gruppe von Wirkstoffen gibt es bestimmte Anwendungsgebiete. So helfen die Gerbstoff-Pflanzen vor allem:
- bei der Wundheilung,
- bei nässenden Ekzemen,
- Durchfall oder
- Juckreiz.
Die Schleimstoff-Pflanzen werden dagegen vordergründig eingesetzt bei:
- Entzündungen im Mund-/Rachenraum,
- Magenschleimhautentzündung,
- Reizhusten,
- Verstopfung,
- Durchfall,
- Blutzucker oder
- zu hohen Cholesterinwerten.
Flavonoid-Pflanzen wirken am besten als antioxidative und damit zellschützende Mittel. Sie können helfen:
- gegen Zellalterung,
- bei Allergien,
- Arteriosklerose,
- Immunschwäche,
- Rheuma und anderen Entzündungen.
Nimm dir ausreichend Zeit, um Heilpflanzen intensiv kennenzulernen
Im Gegenzug bedeutet das: wenn wir uns nicht mit Heilpflanzen und ihren Wirkstoffen auskennen, wird eine Behandlung mit ihnen wahrscheinlich wirkungslos bleiben oder sich sogar ins Gegenteil verkehren und leichte bis heftige (gar tödliche) Nebenwirkungen auslösen.
Es ist also wichtig, sich mit Heilpflanzen tiefgründig und ernsthaft zu beschäftigen. Mute dir am Anfang nicht zu viel zu, nimm dir viel Zeit, um einzelne Heilpflanzen nach und nach kennenzulernen.
Doris Grappendorf schreibt in ihrem schönen Buch „Bei einer Kräuterfrau in der Lehre“, dass wir uns in jedem Jahr eine Heilpflanze aussuchen sollten, die wir dann ein Jahr lang intensiv kennenlernen. Nach 9 Jahren würden wir dann 9 Heilpflanzen kennen, mit denen wir nahezu alle gängigen Krankheiten und Beschwerden behandeln könnten.
Die Grenzen der Heilpflanzenkunde akzeptieren
Es gibt Stimmen, die behaupten, Heilpflanzen würden nur Gutes bewirken, da sie ja aus der Natur kämen. Doch das ist so nicht richtig. Denn Heilpflanzen sind nicht immer ungefährlich und können auch nicht beliebig eingesetzt werden.
In manchen Fällen reicht die Kraft der Heilpflanzen vielleicht nicht mehr aus. In anderen Fällen wiederum ist sie vielleicht zu stark. Bei starken Schmerzen zum Beispiel würde die Weidenrinde als natürliches Schmerzmittel nicht genug ausrichten können. Und bei leichtem Husten würde die Selbstbehandlung mit Efeu als natürlichem Hustenmittel schlimme Folgen haben (Efeu ist giftig und ich rate dir von einer Selbstbehandlung damit ab. Lies dazu auch meinen Blogbeitrag „Efeu als Heilpflanze?“).
Starke Heilpflanzenwirkstoffe können auch starke Nebenwirkungen hervorrufen. Daher ist es wichtig, nicht wahllos Heilpflanzen einzunehmen oder anzuwenden, nach dem Motto: „Irgendetwas von dem Kraut wird schon helfen“, sondern sich bedacht und mit Ruhe mit Heilpflanzen zu beschäftigen und so immer sicherer im Umgang mit ihnen zu werden.
Was der Bauer nicht kennt …
Halte dich am besten an das Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“ 😉 Auch wenn es sich nicht auf Heilpflanzen bezieht und vielleicht etwas derbe formuliert ist, kannst du dich trotzdem daran halten. Welche Heilpflanze du nicht ganz sicher kennst, rührst du am besten gar nicht an 🙂
Taste dich langsam voran
Fange in der Selbstbehandlung mit Heilpflanzen mit den „einfachen“ Heilpflanzen an und taste dich nach und nach vor.
Onlinekräuterkurs „Pflanzliche Hausapotheke“
Im Onlinekräuterkurs „Pflanzliche Hausapotheke“ zeige ich dir eine Auswahl weniger Heilpflanzen, bei denen du kaum etwas falsch machen kannst. So kannst du deine ersten Heilpflanzen kennenlernen und erste Produkte wie Salben, Tinkturen oder Tees für deine pflanzliche Hausapotheke selbst herstellen.
Heilpflanzen bei leichten Beschwerden oder zur Therapiebegleitung
Besser ist es, starke Pflanzenwirkstoffe als pharmazeutisch aufbereitete Produkte einzunehmen/anzuwenden. Nur so können wir die Gefahren giftiger Heilpflanzen auf ein Minimum reduzieren.
Bei leichten Krankheiten oder Verletzungen oder auch als Begleittherapie können ungiftige Heilpflanzen sanft wirken und die Beschwerden lindern.
Heilpflanzen selbst ernten
Heilpflanzen kannst du entweder in einer gut sortierten Kräuterapotheke kaufen (in getrockneter Form) oder du kannst sie einfach selbst ernten. Unsere Natur bietet uns ein reich angerichtetes Büffet an heimischen Heilpflanzen, an dem wir uns bedienen dürfen. Doch dabei gibt es einiges zu beachten.
Denn wir wollen die Natur nicht zerstören, wir wollen nur das nehmen, was sie auch verkraften kann. Deshalb ernten wir immer nur so viel einer Heilpflanze, wie wir wirklich für unsere Selbstbehandlung brauchen (und das ist wenig). Meistens reichen ein Zweig, ein paar Blätter oder Blüten für eine bestimmte Anwendung aus. Am besten nehmen wir immer nur so viel einer Heilpflanze, dass jemand, der nach uns kommt, nicht bemerkt, dass wir da waren.
Wenn du eine Wurzel ernten möchtest, dann gibt es einen kleinen Trick dabei. Wir nehmen nämlich nicht die ganze Wurzel einer Heilpflanze mit, sondern wir lassen einen Teil von ihr zurück und graben dieses wieder in die Erde ein. So kann die Pflanze im nächsten Frühjahr wieder treiben.
Jede Heilpflanze hat einen bestimmten Erntezeitpunkt im Jahr, an dem sie die höchste Wirkstoffkonzentration besitzt. Zu diesem Zeitpunkt sollten wir die Heilpflanze ernten, wenn wir sie verwenden wollen.
Heilpflanzen-Erntekalender
Am Anfang habe ich selbst viele Erntezeitpunkte im Jahr verpasst, weil ich nicht wusste, wann ich die entsprechende Heilpflanze am besten ernten soll.
Irgendwann dachte ich mir dann, ich müsse das jetzt einfach mal aufschreiben, so dass ich keine Erntezeitpunkte mehr verpassen würde.
Und aus diesem Dokument haben mein Team und ich dann den schönen Heilpflanzen-Erntekalender erstellt, den wir dir gratis zur Verfügung stellen.
Hier kannst du eine Vorschau des Erntekalenders sehen:
Und hier kannst du dir den Heilpflanzen-Erntekalender herunterladen >>
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Fazit
Im Umgang und in der Selbstbehandlung mit Heilpflanzen gibt es einiges zu beachten. Kein Wunder, sind nämlich nicht alle Heilpflanzen einfach bedenkenlos zu verwenden. Denn manche von ihnen enthalten für uns giftige Stoffe, die bei falscher Dosierung sogar tödlich wirken können.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns Zeit und Ruhe dafür nehmen, die Welt der Heilpflanzen genau kennenzulernen. Du wirst sehen, die Zeit in der Natur oder im Selbststudium werden dir viel positive Energie und Kraft geben. Denn wir Menschen haben uns schon viel zu weit von der Natur entfernt. Es ist Zeit, wieder zu ihr zurückzukehren, weil ohne die Natur können wir nicht (über-)leben.
Literaturangaben
- Cornelia Stern, Helga Ell-Beiser, Phytotherapie in Theorie und Praxis. Wirkstoffe verstehen – Heilpflanzen sinnvoll nutzen, Aarau und München 2022, S. 14 – 52.
- Eva Marbach, Heilkräuter Hausapotheke. Die wichtigsten Heilpflanzen für die Anwendung zuhause, Breisach 2010, S. 9f.
- Mannfried Pahlow, Heilpflanzen, Rastatt o. J., S. 5 – 13.
- Wolfgang Hensel, Welche Heilpflanze ist das? Deutschland, 2020.